Wir bei Launix haben seit 2016 durchgängig Azubis ausgebildet. Jetzt ist Schluss damit. Hier ist die Geschichte dazu:
Null Kommunikation zwischen Betrieb und Schule
Als Ausbilder habe ich gelernt, dass der Betrieb stets Kontakt mit der Berufsschule halten soll, um die Lerninhalte mit der Berufsschule abzustimmen. In der Ausbildereignungsprüfung muss man dies zwar so hinschreiben, in der Praxis ist dieser Tipp aber absolut blödsinnig. Zum einen haben Berufsschulen überhaupt keine Zeit oder Ressourcen für eine solche Kommunikation eingeplant, zum anderen:
Die Ausbildungsverordnung (damals von 1996, inzwischen wurde sie modernisiert), hat die Lehrinhalte für den Betrieb vorgeschrieben und wurde bundesweit von der IHK erarbeitet. Der Lehrplan für die Berufsschulen kommt hingegen von den länderspezifischen Kultusministerien.
Lehrplan und Ausbildungsverordnung sind dermaßen inkompatibel. Während die Ausbildungsverordnung sich relativ knapp und allgemein hält mit Stichpunkten wie „objektorientierte Programmiermethoden“, ist der Lehrplan für die Berufsschulen bzw. die berufsschulische Praxis schon sehr konkret ausformuliert – bis hin zu den Programmen, die im Unterricht verwendet werden.
Null Kommunikation zwischen IHK (Prüfungen) und Schule
Damit haben wir das nächste Problem: Die Prüfung selbst führt nämlich die IHK wiederum nach der Ausbildungsverordnung durch. Die Berufsschulen bereiten die Azubis also nur bedingt für die IHK-Prüfung vor. Berufsschulnoten fließen nicht in das Endergebnis ein und Fächer wie Sport können von Azubis ohne zu erwartende negative Folgen geschwänzt werden.
Insgesamt ist die Berufsschule also machtlos und das schlägt sich wiederum auf die Azubis und das Lehrpersonal um:
Unzufriedenheit mit der Berufsschule
Unsere Azubis waren allesamt unzufrieden mit ihrer Berufsschule, in dem fall das BSZET in Dresden. Der Unterricht ist zu praxisfremd, die Lehrer unmotiviert und alles in allem sehr langatmig. Was in den Programmierlehrgängen an der Berufsschule auf 3 Jahre gestreckt wird, erlernen unsere Azubis in den ersten 30 Tagen ihrer Ausbildung, anschließend bauen wir darauf mit Spezialisierungen auf. Unsere Lehrlinge haben ihre Krank-Zeiten durchgängig auf die Berufsschule gelegt, sind im Betrieb dagegen immer anwesend gewesen. Es gab sogar regelrechte „Aussprachen“ zwischen Schülern und Lehrern über die niedrige Qualität des Unterrichts, die aber die Gesamtsituation nicht verbessert haben.
Die Krone des Gipfels machte das Fach „Projektmanagement„, welches zu 80% eine reine Produktschulung für das Microsoft-Programm „MS Project“ war. Von Projektmanagement erwartet man eigentlich, dass die Schüler*innen lernen, mit welchen Methoden sie ein Team leiten und Aufgaben organisieren: Scrum, agile Methoden, Burn down charts, Wasserfallmodell usw. – Stattdessen mussten sie lernen wie man in Programm X einen „Meilenstein“ anlegt und die Beschriftung, sowie Farbe einstellt.
Die Probleme in den Berufsschulen haben dazu geführt, dass insgesamt zwei unserer Azubis komplett die Lust an ihrer Ausbildung verloren haben. Der eine hat gerade noch so das dritte Lehrjahr geschafft, der andere hat Ende des zweiten Lehrjahrs abgebrochen.
Keine Auswahl an Lehrlingen mehr
Ebenfalls ein Grund, warum wir kaum ausbilden können, ist die recht rare Auswahl an guten Lehrlingen. Einen Lehrling mussten wir nach 8 Tagen Probezeit bereits wieder entlassen. Wir haben ihm Einzelunterricht gegeben, da er sich gewisse Sachen schlecht merken konnte. Anstatt sich anschließend mit den Aufgaben zu beschäftigen, hat er Handy gespielt.
Einen weiteren Lehrling haben wir an den Staat verloren. Obwohl wir überdurchschnittlich viel Geld bieten, ist die Erwartung auf weniger Arbeit, sowie die Chance auf Verbeamtung so verlockend gewesen, dass derjenige sich für eine Ausbildung beim Landkreis entschieden hat, obwohl er bereits viele bezahlte Praktika bei uns absolviert hat.
Unser Reformvorschlag: Rein-betriebliche Eingliederungsförderung
Die Berufsschulzeit, die 1/3 der Ausbildungszeit ausgemacht hat, war auch jedes mal eine harte Unterbrechung der Lernprojekte. So mussten die Azubis nicht „an einer Aufgabe dran bleiben“, sondern lediglich warten, bis der Betriebs-Block „geschafft“ war. Ein zusammenhängendes Arbeiten mit den Auszubildenden wäre also viel besser.
Auch das Konzept von „Berufen“ ist in der modernen, digitalisierten Welt nicht mehr überall anwendbar. Ein Beruf vermittelt wiederholbare, erlernbare Tätigkeiten mit vorgegebenen Werkzeugen. Dies ist aber insbesondere in der Informatik, aber auch in vielen Branchen, die von der Digitalisierung erfasst werden, nicht mehr so der Fall. Selbst die CNC-Dreher erlernen in der betrieblichen Praxis neue CAD-Programme, die alles Wissen, das sie in der Berufsschule über das „händische“ Verfahren gelernt haben, unnötig machen. Die neuen Methoden lassen sich viel leichter erlernen, sind aber wesentlich komplexer, sodass man sie nicht mehr einfach in „Lehrpläne“ packen kann. Weitere Beispiele:
- Eine moderne Schuhfabrik beschäftigt keinen einzigen Schuster mehr
- In einer TK-Brötchenfabrik ist nur noch der Werksleiter ein ausgebildeter Bäcker
- Der Bediener des Fliesenverlegesystems XYZ braucht keine Fliesenlegerausbildung mehr
Die Berufsschulische Ausbildung kann also in vielen Fällen einfach durch ungelernte Fachkräfte, die einige, sehr spezialisierte produktspezifische Lehrgänge absolviert haben, ersetzt werden. Wozu braucht eine Bäckereifachverkäuferin eine aufwendige Ausbildung, wenn sie in Wahrheit vor allem 2 Geräte bedienen muss: Das Kassensystem und den Backautomaten. (welche beide übrigens NICHT in der Berufsschule thematisiert werden und es auch blödsinnig wäre, dies einführen zu wollen)
Wir schlagen als Gegenentwurf zur Ausbildung eine 3-jährige betriebliche Eingliederungsförderung vor. Eine ungelernte Person erwirtschaftet je nach Branche entweder sofort oder erst ab dem 4. oder 5. Jahr wirklich Geld. Wenn man in Kooperation mit den Arbeitsämtern den Bildungsbedarf darlegen kann und daraufhin einen mehrjährigen Eingliederungsplan erarbeitet, der für den Zeitraum der Einarbeitung den Mindestlohn aushebelt, wäre vielen Betrieben geholfen. Die Dauer der Eingliederungsförderung darf nicht mehr auf 6 Monate gedeckelt sein, sondern muss sich an der Menge der nachzuholenden Schulungen orientieren. Der Betrieb hat den Mitarbeiter rund um die Uhr und kann ihn in alle Tatigkeiten einarbeiten. Die Betriebe können für ihren konkreten Bedarf ausbilden und sind nicht mehr an traditionelle Berufsbilder gebunden.
Wenn wir qualifizierte Mitarbeiter benötigen, holen wir diese inzwischen nur noch von der Uni. Vielleicht ändert sich das irgendwann, aber momentan gibt es dazu nicht die richtigen Rahmenbedingungen.
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