Etwas Off-Topic aber sehr tiefgreifend, was man bei so einem Lied in erster Linie nicht vermutet, ist diese Liedinterpretation. Die Spaßband Knorkator ist für ihre skandalösen Texte und Auftritte bekannt. Jedoch schwingt auch immer etwas Gesellschaftskritik mit und wenn man genau darüber nachgedacht, steckt in jedem einzelnen Lied unheimlich Grips dahinter.
Eines der augenscheinlich „sinnlosesten“ Lieder von Knorkator ist der B-Track „Ich bin der Boss“, der eine absurde Welt vorstellt. Doch hören wir es uns zuerst an:
In dieser absurden Welt geht es um einen König aus Japan, der eine Nase aus Porzellan hat und jeden Tag nach Fahrrädern taucht. Als eines Tages der Wasserboiler explodiert, kommt eine Fee aus dem Boiler heraus und gibt ihm drei Wünsche frei. Anstatt dass ihm aber nicht näher definierte Wünsche erfüllt werden, wächst ihm ein Kaktus aus dem Ohr.
Als der König kritisiert, in welch absurder Welt er lebt, ertönt plötzlich die Stimme des „Schöpfers“, der bemängelt, dass sein Werk nicht kritisiert werden sollte.
Im Kehrreim wiederholt sich jeweils der Slogan „Ich bin der Boss, halt die Fresse, leck mich am Arsch“ in jeweils rhythmisch verschobener Form.
Schlussendlich gibt der Schöpfer seinen Kritikern aber Recht, dass die geschaffene Welt „absurd und schlecht“ ist. Als Begründung gibt er an, dass er nicht immer in Höchstform sein kann, aber der Song noch als B-Track auf der CD durchgehen wird.
Daraufhin fordert der Sänger den Schöpfer auf, wenigstens ein Happy End zu verbauen. Das Lyrische Ich lehnt dies aber auch als „Mainstream-Scheiße“ ab. Stattdessen verweist es auf die Kunstfreiheit und dass es für eine Änderung der Richtung des Liedes schon zu spät ist. Letzendlich fliegt eine Bombe durch das Dach in das Haus, die aber nicht explodierte. Trotzdem starben alle.
Das Lied ist dreigeteilt. Wie der Titel „Ich bin der Boss“ suggeriert, werden hintereinander drei „Bosse“ vorgestellt:
Zuerst wird ein „König“ vorgestellt, der aber gar nicht königlich ist. Er wohnt in keinem Schloss, hat eine Nase aus Porzellan, er muss jeden Tag nach Fahrrädern tauchen, findet aber nie welche genauso wie sein Hund. Auch bekommt er seinen Wunsch von der Fee nicht erfüllt, stattdessen wächst ihm ein Kaktus aus dem Ohr. Darüber, dass er nicht wirklich der Boss ist, beklagt er sich.
Als zweites wird der Schöpfer vorgestellt, der der „Boss“ sein soll. Doch auch der fängt in der darauffolgenden Strophe zu schwächeln und zu kriseln an: Er fühlt sich gekränkt durch die Kritik an seiner Schöpfung. Letzendlich gibt er sogar Fehler in seiner Schöpfung zu, indem er sein eigenes Werk als „absurd und schlecht“ bezeichnet.
Im dritten Teil wird dann der wahre „Boss“ vorgestellt: Nämlich der Dichter. Der Dichter wird nicht einmal namentlich erwähnt oder gar benannt, dass es ein Dichter wäre – es ist komplett der Deduktionsfähigkeit des Zuhörers überlassen, herauszufinden, dass der eigentliche Lenker dieses Liedes der Dichter ist. Er hat das komplette Lied erfunden und muss auch nicht auf die Wünsche der Zuhörer, des Königs oder des Schöpfers eingehen. Stattdessen lenkt und leitet er, wie viel Macht der König oder Schöpfer jeweils bekommt und ob dessen Pläne (Fahrräder tauchen, Schöpfung) jeweils aufgehen. Auch die Frage nach einem Happy End lehnt der Dichter ab. Seine Allmacht demonstriert er zum Schluss dadurch, dass er eine Bombe in das Haus fliegen lässt, die zwar nicht explodiert, aber trotzdem alle tötet.
Die Band Knorkator mit ihrem Dichter Alf Ator sind dafür bekannt, sich nicht an gesellschaftliche Normen zu halten und regelmäßig mit den Normen zu brechen. In ihren Liedern besingen sie Tabu-Themen, werden vulgär oder sprechen Dinge aus, die – hätte es jemand anderes gesagt – sofort zu dessen gesellschaftlichen Ausschluss geführt hätten.
Fazit: Nicht durch weltliche Macht (König) oder Religiösität (Schöpfer) hat man die wahre Macht, sondern allein durch seine Kreativität. Der Dichter steht über allem, da nur er selbst bestimmt, wer hier der Boss ist. In seinen freien Gedanken kann er jede beliebige Welt erschaffen, in der ihm sogar ein König oder ein Schöpfer Untertan sind. Vor Kritik durch die Zuhörer ist er aber trotzdem nicht gefeit – hat aber die freie Entscheidung, ob er sich der Kritik seiner Zuhörer beugt und sich anpasst, oder ob er – wie Knorkator – einfach er selbst bleibt und sein Ding durchzieht.
Diese Einstellung der Band Knorkator kann man auch in diesem Interview nachvollziehen:
Comments are closed